die geschichte eines nordiren. nennen wir ihn ian. ian betreibt das adventure hostel in dover. das adventure ist wichtig. denn es gibt noch ein zweites hostel in der stadt. das dover hostel. ian legt viel wert darauf, dass sein hostel ein abenteuer bietet. meistens an der bar. an der er mit seiner zweiten frau auf gäste wartet. die, meist auf der durchreise zwischen frankreich und england, einen kurzen zwischenstopp in seinem zuhause einlegen. dabei meist die einzigartigkeit von dover verkennen. genauso wie die einzigartigkeit seines hostels. damit den gästen aber zumindest irgendwas in erinnerung bleibt von diesem wunderbaren ort erzählt ian viele geschichten. ungefragt. dabei trinkt er eine menge bier aus weißweingläsern, isst gesalzene chips aus bunten tüten und stopft sich zwischendurch einige stücke geburtstagskuchen in den fast zahnlosen mund. mit der messerspitze, versteht sich von selbst.
ian hat eigentlich keine lust auf gesellschaft, kann es aber aus irgendeinem grund trotzdem nicht lassen, die letzten nachtschwärmer für einen absacker zu gewinnen. hat er den ein oder anderen barhocker an seiner theke besetzt, legt er los. es sprudelt aus ihm heraus, zusammenhanglose antworten auf fragen, die nie gestellt wurden. ian springt von thema zu thema, hat zu allem eine meinung, kann stille schwer ertragen. vielleicht sind ungesagte sätze allerdings manchmal gehaltvoller aus ausgesprochene worte. nicht für ian. er ist eine seltsame mischung aus misanthrop und menschenfreund, schwankt zwischen haut-ab und mitteilungsbedürfnis.
aufgewachsen in nordirland zwischen religionskonflikt und terror ist ian erstmal grundskeptisch. hält nichts von europa, unterstützt den brexit, bezeichnet nelson mandela als massenmörder. am strand von kapstadt soll er weiße frauen mit landminen umgebracht haben. hat ian im fernsehen gesehen. das er allerdings auch verachtet. am meisten hasst er rtl. die lügenpresse aus deutschland war neulich bei ihm zu besuch. hat seine geschichten aber zum großteil rausgeschnitten. aus einem bericht über james bond. der soll irgendwas in dover ermittelt haben. 007 und so. ist auch eigentlich egal. alle nazis. james bond, die deutschen. und die franzosen. kommen von calais auf die insel und benehmen sich daneben. die schlacht von waterloo gefälllt ian. geschichte interessiert ihn sowieso, allerdings vermischt er ab und zu fiktion und realität.
königshäuser und dynastien beschreibt er detailliert, spricht von cousins, die sich gegenseitig abstechen. historische ungerechtigkeiten führen ian schnell in die gegenwart zurück. er fühlt sich betrogen vom staat. zwei air bnb-angebote in seiner straße. ohne brandschutzauflagen, zu haben für 30 pfund die nacht. anzünden sollte man die wohnungen nebenan. stattdessen investivert er in feuermelder. die gäste laufen ihm trotzdem weg. vielleicht liegt es aber auch einfach an der verdreckten theke, dem schimmligen kühlschrank oder den staubigen betten. und den gut gemeinten geschichten von ian, die richtig lust darauf machen, zeit an seiner theke zu verbringen.
anders sein freund, der weißhaarige tüftler. er schaut sich lautlos und geduldig unzählige videos auf youtube an. auf einem fernseher, versteckt in der ecke des raumes. seine mission: feuerlöscher reparieren. vielleicht um das schlimmste zu verhindern. einmal schaut er allerdings kurz auf und richtet seine augen auf ian. als dieser seinen einzigen positiven satz der nacht sagt: „nice red van.“
so lange der rote bus rollt.
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