12.10.2017 | lissabon, portugal

thorsten, irgendwas um die ende vierzig, kommt aus hamburg. der seiner meinung tollsten stadt der welt. thorsten reist aber auch gerne. nach aukland zum beispiel. oder brisbane. porto, rotterdam, miami. lissabon. hafenstädte sind seine passion. denn thorsten hat eine mission. er möchte einen schöneren ort als seine heimatstadt finden. dazu vergleicht er, permanent und alles. aukland war miserabel. brisbane ganz ok. porto nett, rotterdam und miami auch. lissabon ist eher geht so. er gibt der stadt aber noch einen tag, oder zwei. aber er kann sich nicht wirklich vorstellen, dass er hier noch irgendwas entdeckt, das seinem hamburg ebenbürtig ist. sagt er. und bröselt sich zimt auf sein rührei.

kathrin und kathrin sind auch da. und frühstücken bacon and eggs. kathrin eins hat einen stapel reiseführer und karten ausgebreitet. macht blaue kreuze hier, gelbe markierungen da, unterstreicht hektisch fettgedrucktes und verfeinert ihren zeitplan. kathrin zwei hingegen beschäftigt sich mit ihrem bacon. und mit brot. und pancakes, die sie sich nachbestellt. das wird nicht einfach heute, mit kathrin und kathrin. irgendwann ist klar: die schnittmenge wird eine fahrt mit der tram sein. zu einem friedhof. klingt nicht furchtbar anstrengend und ist immerhin auch ein to do auf der lissabon-liste von kathrin eins.

so wie kathrin und kathrin handhaben es die anderen gäste dann auch. langsam drängen alle vom frühstückstisch in die straßen lissabons. hafen, kloster, shoppingcenter, museum, friedhof. alles will abgeklappert werden. zurück bleibt eine supermarkttasche mit dreckiger wäsche. der waschsalon liegt direkt um die ecke. die geräte rechts sorgen dafür, dass die klamotten erst nass und dann sauber werden, links trocknet der kram dann wieder. an der decke drehen sich drei ventilatoren. der kaffeeautomat wirft keine plastikbecher mehr aus. der wasserspender ist leer, der tisch kaputt. immerhin die trommeln drehen sich zuverlässig.

nachmittags mit der fähre nach cacilhas, auf die andere seite des flusses. menschen genießen die sonne, die kleinen restaurants und cafes sind gut besucht. frischer fisch brät auf den grillrosts. der köstliche geruch beißt sich ein paar ecken weiter mit dem aus einer bäckerei, in der gerade frische pasteis de naja aus dem ofen kommen. das gewirr aus kleinen straßen endet dann schlagartig vor einer mauer, die einen riesigen park umgibt. in der mitte thront die statue cristo rei und wacht über stadt und fluss. also gut. immer auf der lauer, entlang der mauer, zum eingang in den park. hundert meter. zweihundert meter. hoch zwei. mal vier. kein tor weit und breit, stattdessen die mannshohe mauer. mit stacheldraht. es macht den anschein, dass dieser park nicht zum besichtigen gedacht ist.

eine ecke weiter, noch einen letzten hügel rauf. schließlich ein haufen menschen, wie aus dem nichts. aus einem bus stolpernd. gut, laufen war auch ok. der anblick der riesigen statue in der sonne versöhnt allerdings, dieser cristo rei ist wirklich beeindruckend. zwischen ein paar bäumen strömt musik aus ein paar boxen. soll wohl spirituell sein. einmal rum um das bauwerk, dann der blick auf die stadt. die rote brücke. den breiten fluss, auf der einen seite die aussicht fast bis zum meer, auf der anderen tief hinein in die bucht von lissabon. grüne olivenbäume säumen die steilen klippen, ein paar palmen hier und da. das passt schon alles irgendwie zusammen. dieser cristo, diese musik, der blick auf die stadt. finden auch die asiaten. und fotografieren.

der weg entlang der mauer macht wenig lust auf die rückkehr zum boot. daher diesmal rechts rum. ein schild weist auf eine sackgasse hin. egal, übersehen. die straße windet sich unter bäumen und an gebüschen vorbei entlang der felsen direkt richtung fuss und endet tatsächlich an einem kleinen parkplatz. von dem ein winziger trampelpfad abgeht. dieser führt überraschenderweise zu einem verlassenen hafen direkt am tejo. ausgebrannte schuppen sind mit bunten graffitis besprüht, zerfallene häuser und alte lagerhallen zerbröckeln langsam vor sich hin. abgewetzte plakate verweisen auf geheime technopartys, die hier wohl manchmal stattfinden. grünes efeu rankt über die gebäude, violette malven zieren einen halben torbogen. keine menschenseele hier, obwohl es an jeder ecke etwas zu entdecken gibt. durch zersplitterte fenster zeigt sich lissabon auf der andere seite des flusses in ganzer pracht.

angeln ist wohl die einzige tätigkeit auf der ganzen welt, die gleichsam entspannt und nervös macht. ein alter mann und der fluss. dazu drei ruten, weit draußen im tejo versenkt. unten im wasser ziehen die größten quallen diesseits des äquators ihre bahnen, ab und zu fährt mal ein boot vorbei. von fischen weit und breit keine spur. dreißig minuten vergehen. sechzig. neunzig. die angeln sorgfältig nacheinander raus, neuen wurm dran. verständnisloses kopfschütteln, fluchen. eine schnur hat sich verhakt, irgendwo unten in den steinen. doppelt fluchen. abreißen, neuen haken festknoten, nächster köder. wieder rein das ding. dann ist ruhe, bedächtiges schweigen. weitere minuten vergehen. vier augen beobachten drei angelspitzen. ein leichtes zittern ganz links. die aufregung steigt. pure langeweile mischt sich mit adrenalin. von jetzt auf gleich. rute in beide hände, zack, anschlag. kurbeln, kurbeln, kurbeln. fehlalarm. fluchen, fluchen, fluchen.

durch ein knarzendes eisentor zurück aus dem halb ausgebrannten dorf zurück richtung fähranleger. nach und nach sind wieder erste menschen zu sehen, hier und da ein cafe oder eine fischbude. das schiff ist pünktlich, die sonne durchflutet das oberdeck. stöpsel in die ohren, spotify an. ein kurzes danke an den portugiesischen mobilfunkanbieter, der unbegrenzt datenvolumen spendiert. also ohne hemmungen die neuste playlist auf die ohren, schiffe gucken. und möven. das boot schaukelt in den kleinen wellen. im vorbeigehen bietet irgendwer zum vermehrten mal gras an. ein anderer fragt nach dem weg. woran erkennt man eigentlich einen touristen? und einen local? immerhin bleiben selfiestick-verkäufer aus. so lange der rote bus rollt.

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